From Zero to Hero – Trainingsgrundlagen für das Marathontraining

Lauftraining im Allgemeinen und Marathontraining im Besonderen sind im wahrsten Sinne des Wortes eine Wissenschaft. Nur wer weiß und versteht, wie der menschliche Organismus auf Belastungen reagiert, kann wirklich effektiv trainieren.

Alles was Sie wissen müssen, um durch das Laufen Ihre Ausdauer zu verbessern, effektiv Fett zu verbrennen sowie schneller und generell belastbarer zu werden, erfahren Sie im sechsten Teil unserer Serie „Marathon – From Zero to Hero„.

Trainingsreiz und seine Folgen: Wie wachsen Muskeln und Ausdauer?

Um Kraft, Schnelligkeit oder Ausdauer zu verbessern, muss man seinen Körper immer wieder einem gewissen Stress aussetzen und ihm – überspitzt gesagt – eine „intelligente Verletzung“ zufügen.

Nur bei ungewohnter intensiver Belastung sieht sich der Körper nämlich gezwungen, seine Systeme zu verbessern, um bei der nächsten großen Beanspruchung besser gerüstet sein. Folgt bald darauf eine noch intensivere oder noch länger andauernde Belastung, passt sich der Körper noch besser an.

Das System des Trainingseffekts lässt sich auf die Muskeln beziehen, aber auch auf das Herz, die Lunge, die Sehnen und sogar die Knochen. Je nach Belastung werden neue Mitochondrien in den Zellen gebildet, der Sauerstofftransport verbessert, das Muskelwachstum angeregt oder die Muskeln, Knochen, Sehnen oder Knorpel gekräftigt. Dieser Prozess wird in der Sportwissenschaft als Superkompensation bezeichnet.

Allerdings sind all diese schönen Effekte, die jeder herbeisehnt, allzu vergänglich. Wer sich nicht regelmäßig intensiven körperlichen Trainingsreizen aussetzt, der verliert die aufgebauten Muskeln und die hinzugewonnene Ausdauer wieder.

Der Grund? Muskeln sind Kalorienschleudern, sie „verpulvern“ nur unnötige Energie. Auch ein ökonomisch schlagendes Herz wird vom Körper nur dann als unerlässlich angesehen, wenn sein Träger es auch benötigt. Bei geringer Aktivität ist dies nicht der Fall, also wird auch hier wieder eingespart.

Auf der anderen Seite darf man es mit dem Training auch nicht übertreiben. Zu viele oder zu harte Trainingsreize überfordern den Körper. Er bekommt dann nicht ausreichend Zeit zur Erholung und gerät in ein Übertraining. Dieses kündigt sich durch Erschöpfung, schlechte Laune und einen Leistungsrückgang an. Das gilt es durch ein smartes und planvolles Training zu vermeiden.

Mit unseren Trainingsplänen, die wir am Ende der Lauf-Serie vorstellen sowie den Tipps zur Ernährung und Regeneration gelingt Ihnen dies ganz sicher. Zunächst führen wir Sie aber tiefer in die Prinzipien und Facetten des Lauftrainings ein.

Welche Trainingsformen gibt es beim Laufen?

  • 1) Dauermethode

    Wie der Name schon sagt, zeichnet sich die Dauermethode durch eine gleichmäßige, dauerhafte Belastung aus. Nach ein paar Minuten Warmlaufen pendeln sich Läufer bei einer Geschwindigkeit beziehungsweise bei einer Herzfrequenz ein, die sie möglichst zum Ende des Trainings aufrechterhalten.

    Mit dieser Methode kann man bei geringer bis mittlerer Intensität ideal seine Grundlagenausdauer trainieren und den Fettstoffwechsel verbessern. Erfahrene Läufer können bei der Dauermethode aber auch ein deutlich höheres Tempo vom ersten bis zum letzten Meter durchhalten.

  • 2) Intervallmethode

    Bei der Intervallmethode wechseln sich intensive Belastungsphasen bei hohem Tempo mit Phasen der aktiven Erholung ab, in denen Sie vor allem traben. Dauer und Intensität der Tempopassagen können dabei variieren. Die Pausen sind bewusst eher kurz. Die nächste Belastungsspitze folgt, ehe Sie komplett erholt sind.

    Bei der Intervallmethode unterscheidet man verschiedene Varianten:

    • Klassische Intervallläufe sind die starrste Form des Tempowechseltrainings. Ob 3 mal 3 km oder 10 mal 200 m – die Eckdaten sind bei dieser Variante vorab festgelegt und werden vom Läufer präzise eingehalten; Faustregel: Je länger eine Tempopassage angelegt ist, desto geringer die Intensität – und umgekehrt.
    • Das Fahrtspiel ist eine spielerische Form der Intervallmethode. Nach Lust, Form oder Streckenprofil variiert der Läufer das Tempo vom Traben bis zum Vollsprint. Dauer und Intensität der Intensität liegen ganz in seinem Ermessen.
    • Bergläufe und Bergsprints verbessern Beinkraft, Schnelligkeit und Tempohärte besonders gut; erfahrene Läufer suchen sich nach einem leichten Dauerlauf einen Anstieg von 30 m bis 50 m Länge, den sie mehrfach im Sprint hochlaufen und im Trab herunterlaufen.

Wie finde ich den richtigen Trainingspuls? Von der Laktatanalyse zur Pulskontrolle

Wie Sie bereits im vierten Teil der Maraton Artikelserie erfahren haben, empfehlen wir Ihnen beim Lauftraining das Tragen einer Pulsuhr zur Kontrolle Ihrer Herzfrequenz in Echtzeit. Mithilfe eines solchen Trainingscomputers trainieren Sie immer im richtigen Trainingsbereich und verzeichnen so konstante Formsteigerungen.

Um zu erfahren, welcher Trainingsbereich für Sie der richtige ist, sollten Sie aber Ihre Herzfrequenzbereiche kennen. Wir raten Ihnen bei der Ermittlung dieser Werter zu einer Laktatanalyse oder alternativ beziehungsweise ergänzend zu einer Atemgasanalyse.

Solche Analysen können Sie bei einem Sportmediziner oder in einem gut ausgerüsteten Fitnessstudio mit geschultem Personal vornehmen lassen. Die Kosten liegen je nach Anbieter bei etwa 50 bis 150 Euro. Dieses Geld ist aber gut investiert, weil Ihnen die Kenntnis Ihrer persönlichen Werte ein effektives Training überhaupt erst ermöglicht.

Bei einer Laktatanalyse und Atemgasanalyse werden Sie auf einem Laufband schrittweise an Ihre Leistungsgrenze herangebracht. Anhand von Herzfrequenz, dem Anteil des Stoffwechselprodukts Laktat im Blut und/oder Ihrer Atemgaswerte lässt sich verlässlich Ihre aerob-anaerobe Schwelle ermitteln.

Dieser Wert markiert die Herzfrequenz, ab der Sie zum Aufrechterhalten der Belastung mehr Sauerstoff verbrauchen als Sie dem Körper durch Atmen noch zuführen können. Mithilfe dieses Wertes und der ebenfalls ermittelten maximalen Herzfrequenz kann der Sportmediziner oder Sportwissenschaftler nun Ihre Trainingsbereiche ermitteln. Halten Sie sich beim Training gemäß der Vorgaben im Trainingsplan an diese Werte, dann ist Ihnen der Erfolg gewiss.

Training mit der Pulsuhr: Das sind die Trainingsbereiche

  • Regenerationsbereich (ca. 50 bis 60 Prozent der maximalen Herzfrequenz):

    Der Körper regeneriert in diesem Trainingsbereich aktiv. Eine Einheit im Regenerationsbereich ist perfekt zur aktiven Erholung am Tag nach einem harten Lauftraining.

  • Grundlagenausdauerbereich 1 (ca. 65 bis 75 Prozent der maximalen Herzfrequenz):

    Der Grundlagenausdauerbereich 1 wird auch als „Wohlfühlbereich“ bezeichnet. Im GA1-Bereich werden die Ausdauer und der Fettstoffwechsel besonders effizient trainiert. Durch GA1-Training legen Sie damit das Fundament für eine gute Kondition. In diesem Trainingsbereich sollten gerade Anfänger die meisten ihrer Trainingseinheiten absolvieren.

  • Grundlagenausdauerbereich 2 (ca. 75 bis 85 Prozent der maximalen Herzfrequenz):

    Im GA2-Bereich sollten Einsteiger ihre ersten Intervalle laufen, um ihre Geschwindigkeit und Tempohärte schrittweise zu verbessern. Erfahrenere Läufer bestreiten bei dieser Intensität sogar längere Einheiten und sogar ganze Wettkämpfe.

  • Entwicklungs- und Spitzenbereich (über 85 Prozent der maximalen Herzfrequenz):

    In diesem Bereich kann man nicht über einen langen Zeitraum laufen, weil die Intensität und das Tempo so hoch sind, dass die Muskeln aufgrund des hohen Sauerstoffverbrauchs und der hohen Frequenz rasch übersäuern. Der Entwicklungs- und Spitzenbereich sind allerdings perfekt geeignet, um das Tempo zu verbessern. Hierzu werden vor allem intensive Intervalle und Bergsprints gelaufen.

Potenziale feststellen, Zeiten hochrechnen

Mit diesem Wissen können Sie Ihr aktuelles Leistungsvermögen und Ihr Verbesserungspotenzial einschätzen. Nun gilt es, gemäß dem aktuellen Leistungsstand kurz- und mittelfristige Ziele zu definieren. Bleiben Sie dabei unbedingt realistisch!

Die folgenden Formeln liefern einen guten Anhaltspunkt, welche Endzeit Sie auf einer längeren Distanz unter Berücksichtigung Ihrer aktuellen Form und bei entsprechendem Training realistisch erreichen können.

Wettkampf-Distanz Umrechnungsformel (basierend auf Ihrem aktuellen Leistungsstand)

10.000 Meter: 5.000-Meter-Zeit x 2,099
Halbmarathon: 5.000-Meter-Zeit x 4,667 oder 10.000-Meter-Zeit x 2,223
Marathon: 5.000-Meter-Zeit x 9,798 oder 10.000-Meter-Zeit x 4,667 oder Halbmarathon-Zeit x 2,099

Was macht einen guten Trainingsplan aus?

Im Rahmen unserer Serie „From Zero to Hero – Faszination Marathon“ geben wir Ihnen zwar maßgeschneiderte Trainingspläne für verschiedene Trainingsziele vom ersten echten Dauerlauf bis zum Marathon an die Hand. Dennoch lohnt es sich zu wissen, wie derartige Pläne erstellt werden und welche Bedeutung man den jeweiligen Trainingsbereichen beimisst.

Beim Erstellen von Trainingsplänen sollte man immer die Mikroperiodisierung (eine Woche) und die Makroperiodisierung (mehrere Monate) im Blick haben.

Zudem gelten bestimmte weitere Regeln:
Je länger Sie im Wettkampf unterwegs sein werden, desto mehr Bedeutung sollten Sie dem GA1- und dem GA2-Training einräumen. Der Umfang der langen, langsamen Dauerläufe nimmt dabei im Verlauf des Makro-Trainingszyklus kontinuierlich zu.

Die Anzahl der Trainingstage sowie die Steigerung der Intensität sollte nicht zu stark von Ihren bisherigen Gewohnheiten abweichen. Mehr als 10 Prozent Steigerung kann der Körper auf Dauer nicht verarbeiten.

Jedes Trainingsziel beginnt mit einer Vorbereitungsphase von mehreren Wochen, in der das Fettstoffwechseltraining im Mittelpunkt steht. Dieser Rat gilt vor allem für Anfänger, doch auch Fortgeschrittene kommen nicht ohne eine Auffrischung der Grundlagen aus.

Erfahrenere Läufer sollten daneben aber auch in dieser Phase pro Woche wenigstens ein kurzes Fahrtspiel oder ein Intervalltraining absolvieren. Auch sollte man ausreichend Raum für ergänzendes Krafttraining und Techniktraining einplanen.

In der zweiten Phase wird das Training angezogen. Der lange Dauerlauf bleibt der wichtigste Bestandteil, je nach Trainingsziel wird aber durch vermehrte GA2-Läufe sowie Intervalle auch verstärkt am Tempo gearbeitet.

  • Beim Intervalltraining gilt: Je stärker das Herz-Kreislaufsystem belastet wird, desto kürzer sind die Tempopassagen. Weiterhin gilt: Je näher das Trainingsziel oder der Wettkampf rückt, desto wettkampfnäher wird trainiert. Im Wettkampf kann man schließlich nur abrufen, was auch trainiert wurde.
  • Es gibt maximal zwei Höhepunkte pro Trainingswoche: einen langen, langsamen Dauerlauf plus ein wettkampfnahes Intervalltraining beziehungsweise einen Tempodauerlauf als Belastungstest. Tipp: Die längsten oder anstrengendsten Einheiten sollten Sie am Wochenende platzieren.

Jeder Trainingsplan sollte in Zyklen à vier bis fünf Wochen unterteilt sein. Am Ende eines solchen Zyklus steht eine Regenerationswoche, in der das Training im Vergleich zu den Vorwochen um bis zu 30 Prozent zurückgefahren wird, damit sich der Körper regenerieren kann und ein Übertraining definitiv keine Chance hat. Die letzte Regenerationswoche ist die Woche direkt vor dem Höhepunkt der Trainingsplanung.

Entwickeln Sie beim Laufen ein Gespür für Ihren Körper. Seien Sie bereit, den Trainingsplan bei Beschwerden umzustellen, die eigentlich geplante Einheit nachzuholen oder gar zusammenzustreichen.

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